Christian Klimms Weg - Software-Tester statt Behindertenwerkstatt
Vor kurzem hat sich Christian Klimm (38 Jahre) aus der Nähe von Karlsruhe bei uns gemeldet. Sein Weg ist beispielhaft, wie man als Mensch mit Behinderung eine Alternative zur Tätigkeit in einer WfbM (Werkstatt für behinderte Menschen) finden kann. Hier sein Erfahrungsbericht:
Ich wurde als Frühchen geboren und erlitt dadurch ein Blutgerinnsel im Kopf. Es kam zu Hirnschädigungen und als Folge davon ist meine linke Körperseite dauerhaft gelähmt/eingeschränkt. Als ich mit 4 in den Regelkindergarten sollte, meinte eine Erzieherin, dass meine Eltern mit mir hier „falsch“ wären; ich sollte doch in einen Kindergarten für Menschen mit Behinderung. Schlussendlich haben sich meine Eltern durchgesetzt, und ich ging in den Regelkindergarten. Hier lief es dann auch gut - so gut, dass ich mit 7 in die Regelgrundschule sollte. Es gab jedoch ein Problem: nämlich ein vernichtendes Gutachten bezüglich meines Entwicklungsstandes von einem Psychologen. Der Schulrektor meinte aber, wir probieren es einfach. Er las sich das Gutachten durch, und musste selbst den Kopf schütteln. Während meiner gesamten Schulzeit habe ich kein Mobbing erlebt – weder in der weiterführenden noch in der Grundschule.
Als ich meinen Schulabschluss hatte, wurde mir wegen der Behinderung und meines seit dem 5. Lebensjahr bestehenden Stottern empfohlen, eine Berufsfindung zu machen. (Anmerkung: Heute nennt man dieses Instrument des RehaAssessments Eignungsabklärung). Außerdem sollte ich im Anschluss eine Ausbildung in einem Berufsbildungswerk machen. (Berufsbildungswerke sind internatsmäßige Einrichtungen der beruflichen Ausbildung für junge Menschen mit Behinderungen.) Ich selbst empfand meine Leistung in der Berufsfindung als gut, trotzdem wurde mir ein 6-monatiger Vorbereitungskurs empfohlen, um Bürokaufmann zu lernen. Dies haben meine Eltern und ich gleichermaßen abgelehnt. Im darauffolgenden Herbst fing ich die Ausbildung zum Bürokaufmann an, welche ich 3 Jahre später mit guten Noten erfolgreich abschloss.
Nach der Ausbildung ging es dann los mit der Suche nach einem Arbeitsplatz. Zuerst habe ich mich an die Lebenshilfe gewandt, wo ich im Rahmen der Ausbildung ein Praktikum gemacht hatte. Leider war dort keine passende Stelle im Büro frei. Alternativ wurde mir dann ein Platz in der Werkstatt angeboten, was ich allerdings dankend ablehnte. Begründung hierfür: Während des Praktikums bei der Lebenshilfe habe ich auch zwei Tage in der Werkstatt mitgearbeitet, und ziemlich schnell rausgefunden, dass das absolut nichts für mich ist. Ich bin dann auch zum Integrationsfachdienst (Ansprechpartner bei der Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen): Hier wurde mir ziemlich schnell auch die WfbM empfohlen, so dass ich da nicht mehr hin bin.
Einige Zeit später kam plötzlich mein Onkel auf mich zu, dass die Firma seines Kumpels Aushilfen im Bereich Softwaretest sucht. Da dachte ich mir gleich: „Das ist es“… (Ich wollte schon immer etwas im Bereich IT machen.) Nach einem Praktikum dort, bin ich nun seit Dezember 2006 als Software-Tester festangestellt. Ich bin voll integriert, meine Behinderung ist absolut kein Thema.
Dieser Text soll anderen Menschen mit Behinderung Mut machen, dass die Werkstatt nicht die Lösung für alle ist, sondern eher als eine der letzten Lösungen angesehen werden sollte. Hoffentlich erreicht diese Botschaft auch die Arbeitsagenturen, Jobcenter und Integrationsfachdienste. Menschen, mit einer Behinderung wie der meinen, können nicht nur in Behindertenwerkstätten arbeiten. Mir ist es wichtig, dass weniger pauschalisiert wird und individuelle Ressourcen und Wünsche mehr Berücksichtigung finden.
Bild zur Meldung: Christian Klimm an seinem Arbeitsplatz. Er sitzt vor einem Computer.
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